Gewohnt stylisch zeigt sich Tarkan auf dem Cover seiner neuen CD. Mit coolem Vollbart, einem schmal geschnittenen silberfarbenen Anzug, weißem Hemd und schwarzer Skinny Tie-Krawatte. Der Künstler wirkt entschlossen und nachdenklich zugleich. Die Weite des Weizenfeldes hinter ihm lässt vermuten, dass er vieles hinter sich gelassen hat. "Metamorfoz", der Album-Titel prophezeit jedenfalls eine Verwandlung.
Tarkan "Metamorfoz"
Wie immer bei der Veröffentlichung eines Tarkan-Werkes sorgte "Metamorfoz" für Fan-Hysterie oder böse Polemik in der Türkei. Einzig zeigte sich die Gesellschaft für Türkische Sprache (TDK) gemäßigt und sprach in einem offiziellen Schreiben dem Künstler ihren Dank aus. Begründung: der Gebrauch von zahlreichen alten Redewendungen und Sprichwörtern führe zum Erhalt der Vielfalt der türkischen Sprache. Immerhin wurden z.B. allein in dem Stück "Dilli Düdük" 15 Weisheiten gezählt.
Fast alle der fast 80 Millionen weltweit lebenden Türken befassen sich nun mit der Metamorphose von Tarkan und stellen einige Punkte fest: Erstmals stammt bei ihm kein einziger Song von den Pop-Königinnen Sezen Aksu und Nazan Öncel, den früheren Garanten seiner Erfolge. Und seine Unabhängigkeitserklärung geht sogar noch weiter: Alle Lieder hat er selbst geschrieben und komponiert, teilweise in Zusammenarbeit mit dem bewährten Pop-Produzent Ozan Colakoglu. Die 10 Titel, mit teils melodischem, teils tanzbarem Pop, sind überraschend glatt produziert. Auf Sound-Schnick Schnack, ein komplettes Orient-Ensemble sowie auf extreme Klangneigungen nach Ost oder nach West wurde verzichtet. Liebhaber seiner leidenschaftlichen Interpretationen der Sanat Müzigi kommen genauso wie die Fans seiner schweißtreibenden Disco-Tracks nicht auf ihre Kosten.
"Vay Anam Vay!" (Mama Mia!) ist eine 80´er Jahre Elektro-Pop-Nummer mit einladend vollen Beats und Tarkans typisch erotisch hauchender Stimme. Allein schon wegen des Telefontasten-Sounds ist "Vay Anam Vay" ein Klingeltoncharts- hitverdächtiger Titel. Tarkan gesteht hier, wie verknallt er ist, wohl deswegen wird sein Puls nach dem Warmtanzen noch eine Spur schneller.
"Dilli Düdük": Ein merkwürdig-amüsanter Rockabilly mit fast schon ironisch quäkenden Synthies. Ein Muntermacher, der eher die flippige und verspielte Seite des Superstars zeigt.
In "Arada Bir" (ab und zu), mid-Tempo-Song mit R´ n´ B- Rhythmen à la Timbaland heißt es: "Wir sind Menschen, ab und zu verlieren wir das Gleichgewicht. Wenn wir wieder zur Besinnung kommen, kehren wir zur Liebe zurück".
Wie eine leise Meeresbrise kommt die romantische Ballade "Istanbul Agliyor" ("Istanbul weint") daher. Ein Kuschelhit für türkische Schulmädchen und Hausfrauen.
"Hop Hop", ungewöhnlich politisch und rappig und "Dedikodu", eine Anspielung auf den Starrummel um ihn. Diese beiden unterhaltsam ironische Tracks sind die orientalischsten Titel auf dem Album. Mit Streichergruppe, knackigen Rockgitarren und Synthesizer-Teppich.
"Bam Teli", "Pare Pare" und "Gün Gibi" sind die anderen langsamen und melancholischen Stücke von "Metamorfoz" und wieder ganz im klassischen Stil von Tarkan. Das etwas penetrante "Cat Kapi" scheint dagegen aus dem Tarkan-Archiv zu kommen und konnte als einziger Lückenbüßer nicht überzeugen.
Weiser und gereifter scheint Tarkan immerhin geworden zu sein, weil er sich zum ersten Mal nicht unter Druck hat setzen lassen. Unbeeindruckt von seinen zahlreichen Kritikern präsentiert er ein Album ohne Ecken und Kanten. Er beweist, dass er auch alleine als Songwriter überzeugen kann ohne dabei seine Authentizität zu verlieren. Ob der erste nackte Mann auf dem Cover einer türkischen Frauenzeitschrift auch musikalisch eine Metamorphose erlebt hat, darüber wird noch lange geredet.
Autor: Oguzhan Celik - www.funkhauseuropa.de
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